Berlin stand immer im Fokus. Dort ging es los. Doch parallel flammten in der ganzen DDR kleine Feuer auf, die für die Machthaber zu einem Flächenbrand wurden.
Es tat sich etwas. Bis heute ist nicht geklärt, wie ohne Handy, ohne Facebook und fast ohne Telefon ein landesweiter Aufstand ausbrechen konnte. Aber die Leute wussten Bescheid – auch die Medien. Lutz Rackow ist für die LDP-Zeitung „Der Morgen“ unterwegs. Schon früh kommt er am Strausberger Platz an.
Und da war der Platz weiträumig durch sogenannte kasernierte Volkspolizei abgesperrt. Das war so eine Hilfstruppe. Militärisch organisiert. Es waren junge Bengels. Also ich hatte da Mecklenburger, den stand ich gegenüber. Die wusste gar nicht, was hier los ist. Hatten auch keine Waffen und nichts. Standen da nur ungergehakt, um zu verhindern, dass sich da die Massen treffen.
Lutz Rackow, damals Journalist („Der Morgen“)
Doch das klappt nicht. Es werden immer mehr Menschen. Im Westen will der Chefredakteur des us-amerikanischen Sender RIAS, Egon Bahr, wissen, ob die Demonstration tatsächlich stattfindet. Der spätere bundesdeutsche Politiker hatte mit seinen Kollegen die Nacht im Sender im Westteil der Stadt verbracht.
Wir sind dann alle im Hause geblieben – unausgeschlafen und unrasiert – und haben zwei oder drei unserer amerikanischen Offiziere rübergeschickt in ihren Jeeps zum Strausberger Platz, um zu erfahren, ob da überhaupt jemand ist. Die kamen ganz schnell wieder und sagten: ,Es summt. Viele, viele Menschen‘.
Egon Bahr, damaliger Chefredakteur des RIAS
214 Kilometer weiter, in Görlitz, hört der Auszubildende Georg Walter Radio. RIAS ist hier nicht zu empfangen, aber Freies Berlin und ein britischer Sender. Er weiß, was in Berlin los ist.
So dass ich am 17. Juni morgens – ich war Lehrling im Bahnbetriebswerk in Görlitz – zur Arbeit ging und jemand erzählte – konnte ich aber nie recherchieren, ob es stimmte -, auf dem Obermarkt in Görlitz hätte ein toter Hund gehangen, und unter diesem toten Hund hätte Zettel mit der Aufschrift gehangen ‚Das war der erst Hund, der verreckt‘.
Georg Walter, damals Lehrling