16 Uhr: Panzer überrollen Menschen in Berlin

MDR INFO, 17.06.13

Am 17. Juni 1953 kam es an über 700 Orten der DDR zu Aufständen. Die Proteste richten sich eigentlich gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen, wurden aber schnell zu einem Aufschrei für Demokratie und Freiheit. Am Nachmittag wird mit immer mehr Gewalt gegen die Demonstranten vorgegangen, beispielsweise in Berlin und Leipzig.

Der 16-jährige Lehrling Klaus Gronau  – den wir schon gestern und heute früh begleiteten – ist in Berlin noch immer mit dabei. Panzer bedrohen ihn und die anderen Menschen. Die Sowjetmacht verteidigt die DDR gegen ihre Bevölkerung. Gronau  steht auf Höhe der Marienkirche.

Da waren inzwischen so viel Panzer aufgefahren, die drehten sich immer im Kreis und schossen. Aber auch über die Köpfe der Leute und die Leute stoben auseinander und rannten. Da waren einige von den Panzern, die hatten quer Balken übergelegt und Bretter. Ob das nun bewusst gemacht wird, das weiß ich nicht.  Nach meiner Meinung nach wollten sie recht viel Demonstranten ergreifen oder verjagen.

Klaus Gronau, damals Lehrling

Am Morgen noch war Klaus Gronau neben einem Bauarbeiter aus der Stalinallee marschiert. Der, der dabei sein Brot aus einer Blechbüchse aß. Nun sieht er ihn wieder.

Meine Angst stieg hoch, als ich jetzt diesen Bauarbeiter vom Strausberger Platz des Morgens sah. Der war überfahren. Und seine Stullenbüchse, die war platt wie eine Briefmarke. Da hatte ich Angst. Ich hatte Angst und bin nachhause gerannt.

Klaus Gronau, damals Lehrling

Das ist für Klaus Gronau das Ende des 17. Junis. Bis heute steht er immer wieder als Zeitzeuge zur Verfügung. Er geht in die Schulen und erzählt überall, was er erlebt hat. Dafür wurde er auch mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Ein anderer späterer Bundesverdienstkreuzträger ist Hardy Firl: 21 Jahre alt, MITROPA-Mitarbeiter und ebenfalls einer der Berliner Demonstranten des 17. Juni. Doch er wurde bereits festgenommen und vorübergehend auf einem Viehhof eingesperrt.

Und da war eine Frau, die wollte mal auf die Toillette gehen, hat den Finger hochgehoben und da haben sie abgewiesen und haben mit der Maschinenpistole so da reingeschossen. Aber nicht auf die Menschen, möchte ich sagen. In die Luft geschossen. Und durch diese Splitter, also die Querschläger, sind auch Verletzte gewesen.

Hardy Firl, MITROPA-Mitarbeiter

Hardy Firl kommt für drei Jahre ins Zuchthaus.

In Leipzig ist zu diesem Zeitpunkt der 17Jährige Klaus Dieter Münch mit seiner späteren Frau Gisela unterwegs.

Wir waren dann in der Beethovenstraße und auf einmal fing es an mit Schießen. Und da haben wir zwei uns gesagt: ‚Jetzt müssen wir abhauen‘. Und da sind wir nach den Augustusplatz gelaufen und da waren fürchterlich viel Menschen. Die sangen die Nationalhymne. – Das Deutschlandlied. – Das Deutschlandlied. – Wenn man das hört zu der Zeit: Es war einfach furch… furchtbar nicht, aber überwältigend, sag ich jetzt mal.

Klaus Dieter Münch

Doch auch in Leipzig drohte das gewaltsame Ende des Aufstandes.