19 Uhr: Ohne Verfahren im Gefängnis

MDR INFO, 17.06.13

Zwei Minderjährige werden wochenlang von der Stasi festgehalten wurden. Ihre Geschichte wird hier erzählt.

Für Fred Ebeling, dem Werksstudenten aus Hennigsdorf, geht ein langer Tag zu ende. Morgens in der S-Bahn hatte er von den Protesten gehört und sich dann später angeschlossen. Zwischendurch war seine Freundin dabei, nun will er Berlin wieder verlassen. Doch das ist nicht so einfach.

Es war ja so, dass kaum noch Verkehrsmittel im Gange waren, also U-Bahnen, S-Bahnen, Straßenbahnen fuhren nicht mehr, also bin ich dann wieder losgelaufen bis zum Nordbahnhof, weil ich wollte da ja eigentlich nach Templin oder zumindest zurück nach Falkensee. Und jetzt wusste ich nicht, was machst du überhaupt.

Fred Ebeling, damals Werkstudent

Er fragt bei der Polizei und wird an die Bahnhofsmission verwiesen. Das wird ihm zum Verhängnis. Am nächsten Morgen ergreift ihn die Stasi und er kommt für mehrere Wochen hinter Gitter. Kein Verfahren, kein Anwalt – einfach weggesperrt.

Seine Freundin Hannelore Gehrke und er verlieren sich erst mal aus den Augen.

Na, von deiner Verhaftung und wie das weitergegangen ist, am 17. Juni. Ich bin zur Urbanstraße zurückgelaufen. Und er wollte nach Templin. So, wann haben wir uns danach gesehen. – 57 – Ja.

Hannelore Gehrke und Fred Ebeling

Doch erst nach der deutschen Einheit kam für die beiden auch die private Einheit. Heute sind sie ein Paar.

Auch Günter Döhring, der 17-jährige Mauerputzer, wird von der Stasi verhaftet. Er verbringt die Nacht in der Haftanstalt Keibelstraße. Sein Vergehen: Er ist im Demonstrationszug von der Stalinallee mitgelaufen.

Mussten wir uns an die Wand stellen. Arme ins Genick. Füße an der Scheuerleiste an der Wand. Gesicht zur Wand. Man durfte nicht rechts und nicht links gucken, wurde einem gesagt. Nicht bewegen. Und jeder Zivilist, der vorbeikam, der hat geknüppelt.

Günter Döhring, damals Mauerputzer

Der Arbeiter- und Bauernstaat hat den Mauerputzer festgesetzt – drei Wochen wird er hier ohne Verurteilung und ohne Anwalt verbringen. Noch 60 Jahre danach, als wir uns in dem Gefängnis zum Interview treffen, stehen ihm die Tränen im Gesicht.