Eindrücke von den Großveranstaltungen in Halle und Görlitz.
In Halle hatte das Streikkommitee die Steintribühne auf der Rückseite der Marktkirche für die Redner vorgesehen. Dabei wurde eine von der SED bereits installierte Lautsprecheranlage einfach von den Aufständischen beschlagnahmt. Offenbar hatte man staatlicherseits damit gerechnet, um 18 Uhr die Lage unter Kontrolle zu haben. Doch das war nicht so. Unten auf dem Hallmarkt steht auch Herbert Priew. Der Student ist einer von vieren, die am Mittag einen Verkehrsposten dafür genutzt hatten, um per Lautsprecher zur Demonstration aufzurufen.
Schon um 18 Uhr war der Hallmarkt voll und oben hatten sich auch schon Sprecher gezeigt. Also, wir waren alle gespannt, was jetzt hier gesagt wird.
Herbert Priew, damals Student
Es sind die Forderungen des Streikkommitees, die hier nochmals verkündet werden: Freie Wahlen, 40 Prozent weniger für Lebensmittel und Rücktritt der Regierung. Für den nächsten Tag wird zum Generalstreik aufgerufen.
Während die Demonstranten auf dem Hallmarkt sind, wird auf 1.500 Plakaten und mit 10.000 Flugblättern der Ausnahmezustand in Halle bekannt gegeben. Zwei Panzer stehen bedrohlich auf dem Markplatz. Herbert Priew erinnert sich.
Trotz dieser Panzer endete diese große Kundgebung mit der ersten Strophe des Deutschlandliedes. Und rechts und links konnte ich sehen, dass auch die Tränen rollten.
Herbert Priew, damals Student
Um 18:45 Uhr, zum Ende der Veranstaltung, rollen die Panzer auf den Hallmarkt und vertreiben die Demonstranten.
250 Kilometer weiter östlich, in Görlitz sieht es ähnlich aus. Die Demonstration auf dem Obermarkt wird beendet. Ilse Richter erinnert sich daran.
Und abends zum 6 war deshalb Ruhe, weil ja inzwischen da die Panzer gekommen waren, in die Nähe des Obermarktes, ich weiß nicht ganz genau, wo sie gestanden haben. Und ab 18 Uhr war es verboten, auf die Straße zu gehen. Und das dauerte etliche Tage. Sogar, dass die ganze Nacht Straßenverbot war. Von abends, ich weiß nicht mehr die Zeit, bis morgens um 6.
Ilse Richter
Georg Walter, damals Maschinenbaulehrling, später dann katholischer Pfarrer, wohnt genau gegenüber von der Stasi-Zentrale in Görlitz. Er und seine Familie wissen, sobald die Hunde gegenüber anschlagen, werden Menschen zum Verhör gebracht.
An diesem späten Abend, schon in der Dunkelheit, auch wieder dieses Hundebellen – und wir sahen Autos. Und es war das resignierte Gefühl, es ist gescheitert. Es ist aus.
Georg Walter, damals Maschinenbaulehrling
So, wie Georg Walter, ging es vielen Menschen an diesem Abend in der DDR.